15. September 2013
Pharisäer und Schriftgelehrte empören sich darüber, dass Jesus mit Zöllnern und Sündern spricht und isst. Als anständiger, guter gläubig-jüdischer Mensch tut man so etwas nicht! Gegen diese Haltung reagiert Jesus nun mit seiner berühmten Erzählung vom verlorenen Sohn, bzw. barmherzigen Vater. Diese Erzählung ist ein Höhepunkt im Evangelium. Auch wenn wir sie schon so oft gehört haben: sie bleibt irgendwie faszinierend, lässt uns nicht unberührt. Und das aus mehreren Gründen.
Erstens macht Jesus hier eine Grundaussage über Gott selbst. Schon Jahrtausende stellen Menschen sich die Frage: „Wer ist Gott?“ Das Wort „Gott“ ist auch das meist missbrauchte und besudelte Wort in der Menschheitsgeschichte. In seinem Namen wurden schon viele Kriege geführt! Auch in der Kirche hat man immer wieder versucht zu sagen, wer Gott ist, sein Wesen in Worte zu fassen. Nur zu gerne möchten wir Gott festlegen, eingrenzen, definieren, be-„greifen“. Gottesbilder sind und bleiben aber immer nur Menschenbilder, von uns Menschen gemachte Bilder! Gottes „Wesen“ kann ich nicht mit menschlichen Begriffen fassen. Jedes Bild von Gott ist falsch, weil unzureichend. Einer hat einmal gesagt: „Ein Gott, den man begreifen, verstehen kann, ist nicht mehr Gott.“ Er ist zu groß und zu anders als alle menschlichen Vorstellungen. Schon in einer der wichtigsten Szenen im AT, beim brennenden Dornbusch, bekommt Mose auf die Frage, wer Gott ist, keine direkte Antwort. Gott sagt ihm einfach: „Ich bin der, der für euch da ist“! Auch Jesus sagt nicht, wer Gott - seinem Wesen nach - ist. Er erzählt uns immer, wie Gott zu uns steht und was er für uns bedeuten will. Das tut er auch in der heutigen Erzählung. Sie ist die schönste, hoffnungsvollste Aussage über Gottes Einstellung zu uns.
Ich glaube, das können wir nur verstehen, wenn wir uns in diesen jüngsten Sohn hineinversetzen. Im Grunde genommen sind wir dieser jüngste Sohn.
Warum geht er von zu Hause weg? Warum bricht er aus? Das ist der Weg, den jeder von uns einmal eingeschlagen hat. Ich will leben. Ich will selbstständig sein. Ich will leben, wie ich es will. Ich will das Leben genießen! Ich will alle traditionellen Regeln und Vorschriften von mir abschütteln. Ich will frei sein. Und das ist legitim. Aber mit diesem „Weg-von-zu Hause“ ist hier gemeint: weg vom Vater, weg von Gott. So wie es diese „Zöllner und Sünder“ getan haben, mit denen Jesus sich einlässt.
Wie oft haben wir uns schon in unserem Leben von Gott entfernt, sind eigene Wege gegangen, ohne Gott? Wie oft haben wir ihn schon verdrängt, so dass er keine Rolle mehr spielt, nur noch irgendwo am Rande unseres Lebens da ist? Und geraten wir dann nicht immer neu in eine Sackgasse, so wie dieser Sohn?
Entscheidend ist dann, dass wir wie er zur Besinnung kommen. Dass wir dann umkehren, wieder nach Hause, wieder zum Vater. Denn dieser wartet schon auf uns, empfängt uns mit offenen Armen, sogar ohne uns Vorwürfe zu machen. Er ist ein „barmherziger“ Vater. Das lateinische Wort für Barmherzigkeit („misericordia“) bringt es auf den Punkt: dem Armseligen das Herz geben, ihm das Herz schenken. So steht Gott – trotz allem – zu uns! Das ist wie die Erfahrung dieses Jugendlichen, der sagt: „Ich fühle mich dort zuhause, wo ich angenommen werde, auch wenn ich Mist gebaut habe!“ Das ist auch die Botschaft, die Jesus den „Zöllnern und Sündern“ vermittelt, so wie er es auch ganz konkret mit dem Zöllner Zachäus getan hat: Er geht auf sie zu, verurteilt sie nicht. Er lässt sie Gottes Barmherzigkeit spüren.
Der älteste Sohn, der immer anständig und brav beim Vater geblieben ist, versteht das nicht. Dem überschäumenden Wohlwollen seines Vaters steht er eigentlich fassungslos gegenüber und findet es ungerecht, wie der Vater den zurückgekehrten Sohn behandelt. Er vergisst, dass über aller Gerechtigkeit die Barmherzigkeit stehen muss; Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit macht nur hart, führt ja oft selbst wieder zu Ungerechtigkeit.
Der barmherzige Vater! Es eine der schönsten Erzählungen über Gott, die Jesus uns gegeben hat. Bei diesem Gott kann ich mich geborgen fühlen. Ja, mehr noch: Wenn ich diese Haltung von Gott zu mir verstanden habe, werde ich mich selbst auch so zu meinen Mitmenschen verhalten.